Jungwirth - Neue Arbeitswelten bedingen eine veränderte Existenzsicherung: das Bedingungslose Grundeinkommen als Lösung
Auf Grund der sich verschärfenden Situation der neuen Arbeitswelten ist es nämlich für immer weniger Menschen möglich, sich und ihre Angehörigen durch klassische, geregelte Vollzeitarbeitsverhältnisse finanziell abzusichern. Dafür gibt es vielfältige Ursachen: Die Anzahl derer, die nur mehr Teilzeit oder geringfügig beschäftigt arbeiten nimmt zu, die Löhne (und auch die Transferleistungen) sinken real, Ver- mögen konzentriert sich in den Händen einiger weniger während der Großteil der Bevölkerung immer weniger „Reserven“ besitzt, Digitalisierung und Wettbewerbsdruck verursachen laufend Rationalisierungen, usw. Die Fortschritte, die durch die Technologisierung der Produktion gemacht wurden, nutzen also nur einigen wenigen. Die Verlagerung vieler Arbeitsbereiche in Billiglohnländer, der Ersatz von menschlicher Arbeitskraft durch Ma- schinen, die ansteigende Arbeitslosigkeit und hegemoniale neoliberale Wirtschaftskonzepte, die ausschließlich auf Profitmaximierung abzielen, führen zu Machtverschiebungen in Aushandlungsprozessen über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und Löhne.
So erlebten wir beispielweise im Jahr 2012 die Umschichtung von 1800 Mitarbeitern der Fa. Magna Steyr vom bisherigen Industrie-Kollektivvertrag (Metall, KFZ) in den für das Unternehmen günstigeren Gewerbe- und IT-Kollektivvertrag mit der Begründung, die Umstrukturierung diene der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dies bedeutet aber für die DienstnehmerInnen, mittelfristig Gehaltseinbußen hinnehmen zu müssen.
Die gerade laufende Debatte über die Arbeitszeitflexibilisierung birgt ebenfalls das Risiko einer Verschärfung der Arbeitsbedingungen zu Lasten der DienstnehmerInnen.
Gerade Frauen sind in Phasen sich verschärfender Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Regel stärker betroffen. Sie leisten immer noch den Hauptanteil der Reproduktions- und Carearbeit, sind dem entsprechend weniger mobil und insgesamt stärker abhängig davon, überhaupt eine Arbeit zu bekommen als alleinstehende Männer oder Familienväter, denen gesellschaftlich immer noch die Familienernährerrolle zugeschrieben wird. Damit sind Frauen aber im Wettbewerb um Existenz sichernde Arbeitsverhältnisse deutlich im Nachteil.
Gleichzeitig erleben wir ein Zunehmen an Auslagerung ehemals staatlicher Leistungen an die Zivilgesellschaft. Diese erbringt eine Vielzahl an Service- und Versorgungsleistungen, zu einem Gutteil auf Basis ehrenamtlichen Engagements, das zumeist gerade von denjenigen geleistet wird, die auch von den zuvor genannten Verschärfungen betroffen sind. Es wird zwar in der Öffentlichkeit regelmäßig betont, dass diesem Engagement große Wertschätzung entgegen gebracht wird. Die tatsächliche Entlastung vom ökonomischen Druck oder eine Anrechnung der erbrachten Arbeitsleistungen für die ehrenamtlich Arbeitenden - wenigstens bei Sozialversicherungssystemen - findet aber nicht statt. Das bedeutet aber, dass all diese nicht monetär entlohnten Tätigkeiten (Reproduktions-, Care-, Freiwilligenarbeit) beim Erwerb von Absicherungsansprüchen in Zeiten der Erwerbslosigkeit unberücksichtigt bleiben.
Es zeichnet sich also ab, dass die existentielle Absicherung in Zukunft auf andere Beine gestellt werden muss. Dabei wird es nicht ausreichen, lediglich für Pensions-, Fortbildungs-, Krankheits- und Kinderer- ziehungszeitenmittelsbedarfsorientierter sozialstaatlicher Leistungen für die Existenzsicherung zu sorgen. Die Anzahl der nicht ausreichend verdienenden Berufstätigen wird selbst bei einer Mindestlohnregelung nicht die finanzielle Absicherung sicherstellen können, denn auch diese reicht bei ungleich verteilter Arbeit nicht aus.
Es braucht daher, eingebettet in eine Vielzahl an Strukturreformen, für alle Menschen eine Basisabsicherung in Form eines Bedingungslosen Grundeinkommens, das selbstverständlich emanzipatorisch ausgestaltet sein muss. Dies bedeutet, dass es in Existenz sichernder Höhe ausgezahlt werden muss und an keinerlei Bedingungen wie Arbeitszwang oder verpflichtender gemeinnütziger Tätigkeit, etc. geknüpft sein soll. Leistungen, wie die Teilhabe am Bildungssystem, die Gesundheitsversorgung, Mobilität, öffentliche Infrastruktur, usw. müssen weiterhin als öffentliche Aufgabe verstanden werden und für alle barrierefrei zugänglich sein. Damit kann eine Demokratisierung der Gesellschaft, vor allem der Arbeitswelt und der Lebensrealitäten von Frauen erreicht werden. Die Entkoppelung der Existenzsicherung und der sozialen Absicherung von der Erwerbsarbeit könnte als Wertschätzung von Seiten der Gesamtheit der Gesellschaft gegenüber den ehrenamtlich Tätigen und Care- und Reproduktionsarbeit Leistenden verstanden werden. Geschlechterhierarchische Rollen- und Arbeitsteilungen könnten aufgelöst werden, da die Abhängigkeit voneinander nicht mehr gegeben ist. Gleichzeitig würden die Verhandlungsprozesse zwischen DienstnehmerInnen und ArbeitgeberInnen gleichberechtigter geführt werden, was zu mehr Zufriedenheit und Gleichberechtigung in der Arbeitswelt führen würde.
Sabine Jungwirth ist Abgeordnete im Steirischen Landtag