Eva Lichtenberger - Bildung in Zeiten künstlicher Intelligenz
Die verschiedenen Einschätzungen der Veränderungen, die durch den zunehmenden Einsatz von Digitalisierung und Robotik stattfinden, sind sich allerdings in manchen Punkten einig. Die „Vierte industrielle Revolution“ wird nicht nur den Produktionsprozess, sondern auch Verwaltungs- und Steuerungstätigkeiten erfassen und damit eine breite Palette von Berufen betreffen. Diese Veränderung wird Arbeitsplätze kosten (wie man schon heute z. B. im Bankensektor feststellen kann). Wie viele neue Jobs durch die neuen Technologien entstehen werden, ist umstritten, aber nahezu alle Prognosen sprechen von starken Verlusten bei Vollzeitarbeitsplätzen. Mehr und mehr menschliche Arbeit wird durch Automatisierung und Digitalisierung ersetzt werden. Schon jetzt sind einige Veränderungen absehbar – mehr prekäre Jobs, Projektarbeit, zunehmender Zeitdruck. |
Wenn unsere zukünftige Lebenswelt aus Phasen der Lohnarbeit und Zeiten ohne fixes Einkommen bestehen wird, muss zum einen diese „freie“ Zeit sinnstiftend gefüllt werden können, zum anderen muss sich unsere Haltung zu bezahlter und unbezahlter Arbeit und Arbeitslosigkeit ändern. Das herrschende Arbeitsethos kann dann so wenig wie die Geringschätzung von Arbeitslosigkeit aufrechterhalten werden. Das wird völlig neue Anforderungen an das Bildungssystem stellen.
MINT oder social skills?
Der US-amerikanische Psychologe Howard Garner nannte 5 Erfordernisse für die Zukunft:
- die Fähigkeit, einen Beruf zu erlernen und durchzuhalten,
- die Fähigkeit, große Informationsmengen zu verarbeiten und sie zu kommunizieren,
- die Fähigkeit, Neues zu entdecken und Antworten auf bisher nicht gestellte Fragen zu finden,
- Respekt und Anerkennung für die Unterschiede zwischen Menschen aufzubringen, sie zu verstehen und mit ihnen gemeinsam zu arbeiten und
- eine Ethik der Verantwortung als ArbeiterIn und StaatsbürgerIn zu vertreten.
In der österreichischen und europäischen Realität allerdings spielt sich die Bildungsdebatte in einer Frontstellung zwischen zwei Polen ab. Der erste Ansatz bleibt in seinen Vorschlägen stark im traditionellen Konzept von Schule/Universität als Ausbildungsstätte für die künftige Berufswahl verhaftet und forciert eine Verstärkung von mathematischtechnischen Materien in den Bildungskonzepten, bekannt als „MINT“– Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Generell soll das Verständnis für technische Prozesse und für Computerwissen verstärkt werden, was für die weitere ökonomische Entwicklung als unverzichtbar gesehen wird. Diese Richtung wird auch von der derzeitigen Bildungspolitik in Österreich favorisiert.

Andererseits meint eine zweite Position, dass es in Zeiten einer immer komplexer werdenden Gesellschaft viel stärker auf die Entwicklung von sozialen Kompetenzen ankommen wird und dass Kreativität und Analysefähigkeit besser gefördert werden sollten. Auch der persönlichen Entwicklung zu mehr Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit sollte laut diesem Ansatz mehr Raum gegeben werden. Das unterstützt zum Beispiel auch Edmund Phelps, Nobelpreisträger für Wirtschaft, wenn er festhält, dass in Zeiten einer rasanten Entwicklung von Robotik und künstlicher Intelligenz eine gute fachliche Ausbildung in technischen Materien keine Garantie für einen guten Job mehr ist und dass technisch ausgebildetes Fachpersonal immer weniger eine positive wirtschaftliche Entwicklung zu garantieren vermag (Beispiel: die alte Sowjetunion). Er betont, dass in der Vergangenheit Entwicklungsschübe dort erfolgten, wo eine gesellschaftliche Dynamik entstanden war. Dafür seien seiner Meinung nach aber vor allem Soft Skills, Vorstellungskraft, soziale Sensibilität, Kreativität bei der Lösung komplexer Probleme und eine hohe Anpassungsfähigkeit an veränderte Arbeitsbedingungen notwendig. Diese Fähigkeiten erwerbe man laut Phelps aber vor allem durch Humanwissenschaften und Kultur, die einen höheren Stellenwert im Bildungssystem erhalten müssten.
Ein neues Anforderungsprofil für die Bildungsdebatte
Stellen wir uns eine gar nicht so ferne Zukunft vor, in der Menschen mit künstlichen Intelligenzen zusammenarbeiten müssen – extreme Arbeitsgeschwindigkeiten, Zugriff auf eine unendlich große Datenmenge in der Cloud und Roboter und Systeme, die schneller programmierbar sind als ein Kind lernen kann. Lernfähige Systeme werden die Arbeit erledigen, die bisher Menschen Einkommen – und manchmal auch den Sinn des Lebens – verschaffen. Es kann also nur ein Irrweg sein, weiterhin alles ausschließlich auf eine Karte – auf die der technischen Kompetenzen – zu setzen.
Die Veränderungen, die sich in der zukünftigen Arbeitswelt vollziehen werden, erfordern eine viel stärkere Erziehung zur Selbstständigkeit. Statt aus der menschlichen „Befehlskette“ werden die Vorgaben der neuen Arbeitswelt viel stärker aus der technisierten Umwelt kommen. Die Anforderung, flexibel sein zu müssen, wird in einer Freelance-Economy zweifelsohne zunehmen.
Das Erziehungsziel der industriellen Revolution bestand vor allem in der Zurichtung des Menschen auf den Arbeitsprozess hin. Das klassische Arbeitsethos ist ein Produkt dieser Entwicklung. Arbeit wurde zum Sinn des Lebens – erfüllende Arbeit war das Schlagwort. Wenn bezahlte Fulltime-Jobs weniger werden, geht für viele Menschen damit auch der Lebenssinn verloren. Einen Sinn im Leben zu finden und die Freizeit für sich und die Gemeinschaft gut zu nutzen – darauf muss eine Schule im 21. Jahrhundert vorbereiten.
Für Arbeit, Kommunikation und Freizeit ist die Kenntnis der Grundstrukturen und der Grenzen der neuen Techniken unverzichtbar. Wenn Menschen im Umgang mit selbstlernenden Systemen den resultierenden Prozessen nicht ausge-liefert sein sollen, müssen sie in der Lage sein, diese zu verstehen und zu kontrollieren. Um die unendlichen Informationsmengen des Netzes richtig nutzen zu können, braucht es die nötigen Werkzeuge – Beurteilung der Quelle einer Information, Vergleich gegensätzlicher Positionen, Erkennen von Mustern und Interessen und die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.
Und schließlich werden es die sozialen Kompetenzen sein, die wir in Schule und Universität (wieder) stärker vermitteln müssen. Diese werden auch in Zukunft nicht völlig von Robotern und Chat-Programmen übernommen werden können. Und sie sind unverzichtbar in kreativem Teamwork.
Die Bildung der Zukunft muss auf die entscheidenden menschlichen Fähigkeiten, die so schnell nicht von Computern erworben werden können, fokussieren. Kreativität und Erfindergeist, Fähigkeit zu Kommunikation und Reflexion und soziale Kompetenz sind nur einige Stichworte dazu. Technisches Grundwissen ist nötig, allein wird es keinesfalls genügen.
Wenn uns das gelingt, kann eine Utopie Realität werden: Eine Lebensrealität ohne belastende Arbeit und voll von Möglichkeiten, das eigene Potential in einer Gesellschaft zu entwickeln, zu der jede und jeder nach ihren Möglichkeiten einen Beitrag leistet.
Andererseits meint eine zweite Position, dass es in Zeiten einer immer komplexer werdenden Gesellschaft viel stärker auf die Entwicklung von sozialen Kompetenzen ankommen wird und dass Kreativität und Analysefähigkeit besser gefördert werden sollten. Auch der persönlichen Entwicklung zu mehr Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit sollte laut diesem Ansatz mehr Raum gegeben werden. Das unterstützt zum Beispiel auch Edmund Phelps, Nobelpreisträger für Wirtschaft, wenn er festhält, dass in Zeiten einer rasanten Entwicklung von Robotik und künstlicher Intelligenz eine gute fachliche Ausbildung in technischen Materien keine Garantie für einen guten Job mehr ist und dass technisch ausgebildetes Fachpersonal immer weniger eine positive wirtschaftliche Entwicklung zu garantieren vermag (Beispiel: die alte Sowjetunion). Er betont, dass in der Vergangenheit Entwicklungsschübe dort erfolgten, wo eine gesellschaftliche Dynamik entstanden war. Dafür seien seiner Meinung nach aber vor allem Soft Skills, Vorstellungskraft, soziale Sensibilität, Kreativität bei der Lösung komplexer Probleme und eine hohe Anpassungsfähigkeit an veränderte Arbeitsbedingungen notwendig. Diese Fähigkeiten erwerbe man laut Phelps aber vor allem durch Humanwissenschaften und Kultur, die einen höheren Stellenwert im Bildungssystem erhalten müssten.
Ein neues Anforderungsprofil für die Bildungsdebatte
Stellen wir uns eine gar nicht so ferne Zukunft vor, in der Menschen mit künstlichen Intelligenzen zusammenarbeiten müssen – extreme Arbeitsgeschwindigkeiten, Zugriff auf eine unendlich große Datenmenge in der Cloud und Roboter und Systeme, die schneller programmierbar sind als ein Kind lernen kann. Lernfähige Systeme werden die Arbeit erledigen, die bisher Menschen Einkommen – und manchmal auch den Sinn des Lebens – verschaffen. Es kann also nur ein Irrweg sein, weiterhin alles ausschließlich auf eine Karte – auf die der technischen Kompetenzen – zu setzen.
Die Veränderungen, die sich in der zukünftigen Arbeitswelt vollziehen werden, erfordern eine viel stärkere Erziehung zur Selbstständigkeit. Statt aus der menschlichen „Befehlskette“ werden die Vorgaben der neuen Arbeitswelt viel stärker aus der technisierten Umwelt kommen. Die Anforderung, flexibel sein zu müssen, wird in einer Freelance-Economy zweifelsohne zunehmen.
Das Erziehungsziel der industriellen Revolution bestand vor allem in der Zurichtung des Menschen auf den Arbeitsprozess hin. Das klassische Arbeitsethos ist ein Produkt dieser Entwicklung. Arbeit wurde zum Sinn des Lebens – erfüllende Arbeit war das Schlagwort. Wenn bezahlte Fulltime-Jobs weniger werden, geht für viele Menschen damit auch der Lebenssinn verloren. Einen Sinn im Leben zu finden und die Freizeit für sich und die Gemeinschaft gut zu nutzen – darauf muss eine Schule im 21. Jahrhundert vorbereiten.
Für Arbeit, Kommunikation und Freizeit ist die Kenntnis der Grundstrukturen und der Grenzen der neuen Techniken unverzichtbar. Wenn Menschen im Umgang mit selbstlernenden Systemen den resultierenden Prozessen nicht ausge-liefert sein sollen, müssen sie in der Lage sein, diese zu verstehen und zu kontrollieren. Um die unendlichen Informationsmengen des Netzes richtig nutzen zu können, braucht es die nötigen Werkzeuge – Beurteilung der Quelle einer Information, Vergleich gegensätzlicher Positionen, Erkennen von Mustern und Interessen und die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.
Und schließlich werden es die sozialen Kompetenzen sein, die wir in Schule und Universität (wieder) stärker vermitteln müssen. Diese werden auch in Zukunft nicht völlig von Robotern und Chat-Programmen übernommen werden können. Und sie sind unverzichtbar in kreativem Teamwork.
Die Bildung der Zukunft muss auf die entscheidenden menschlichen Fähigkeiten, die so schnell nicht von Computern erworben werden können, fokussieren. Kreativität und Erfindergeist, Fähigkeit zu Kommunikation und Reflexion und soziale Kompetenz sind nur einige Stichworte dazu. Technisches Grundwissen ist nötig, allein wird es keinesfalls genügen.
Wenn uns das gelingt, kann eine Utopie Realität werden: Eine Lebensrealität ohne belastende Arbeit und voll von Möglichkeiten, das eigene Potential in einer Gesellschaft zu entwickeln, zu der jede und jeder nach ihren Möglichkeiten einen Beitrag leistet.
Eva Lichtenberger ist ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments und Mitglied des Council for a Progressive Economy - Rethinking Society for the 21th Century.