Barbara Pickl - Von der Uni ins Prekariat: Europas Jugend drängt auf den Arbeitsmarkt, aber die Tür bleibt zu
Auch wenn es schon vorher An-zeichen dafür gab, stieg das allgemeine Bewusstsein für das Problem erst mit den explodierenden Arbeitslosenzahlen der unter 25-Jährigen in der Finanzkrise. In den darauffolgenden zehn Jahren vernichteten Sparpakete und Wirtschaftsflaute unzählige Arbeitsplätze und die „Flexibilisierung“ genannte Prekarisierung nahm ihren Lauf.
Während die ältere Generation darum kämpft, ihre Arbeitsplätze zu schützen und ihre erworbenen Rechte zu wahren, sind die Jungen mit einem deregulierten Arbeitsmarkt konfrontiert, der ihnen keinerlei Absicherung und kaum Perspektive bieten kann.
Längere Arbeitslosigkeit zwischen häufigen Jobwechseln ist heute für die Jungen Normalität geworden, außergewöhnlich dagegen ist das für die meisten Eltern noch immer Selbstverständliche: Eine unbefristete und gut bezahlte Lebensarbeitsstelle.
In Lehrlings-Castings und AMS-Schulungen werden die gesellschaftlichen Probleme erfolgreich individualisiert, bis auch wirklich alle wissen, dass sie von sich selbst immer mehr Mobilität, Flexibilität, Bildung und Leidensfähigkeit fordern müssen.
Südeuropas Jugend ist besonders betroffen. In Italien, Spanien und Griechenland waren in den letzten Jahren zwischen 40 und 50 Prozent der 15- bis 24-Jährigen, die arbeiten wollten, ohne Job. Besonders beunruhigend ist, dass diese Quote nicht in gleichem Ausmaß sinkt wie die Gesamtarbeitslosigkeit. Ein von der EU aufgelegtes 6-Milliardenpaket für eine Beschäftigungsgarantie für Jugendliche zeigt noch nicht die gewünschte Wirkung.
Jugend als Sozialfall
Anstatt mit dem Wirtschaftsaufschwung in den Arbeitsmarkt einzusteigen, scheint
eine ganze Generation verloren gegangen zu sein. Für viele ist das wörtlich zu nehmen. Die Zahl der jungen Spanier-Innen, die auswandern, ist in der letzten Dekade um 79 % gestiegen. Wer bleibt, findet wenn überhaupt nur befristete Teilzeitanstellungen. So bleibt die Abhängigkeit von den Eltern bis in die Lebensmitte bestehen.
Im Vergleich dazu hat Österreich eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Doch auch hier ist die Aussicht nicht rosig: 70 % aller LeiharbeiterInnen sind unter 25, die Hälfte davon ist armutsgefährdet. Auch bei den geringfügigen Beschäftigungen haben Jugendliche mit einem Drittel den höchsten und noch dazu einen ständig steigenden Anteil.
Kinder und Jugendliche, die sich bereits in der Volks- und Hauptschule auf Grund ihrer familiären Situation, ihrer unzureichenden Sprachkenntnisse und mangelnder Förderung als VersagerInnen erleben, sehen zunehmend keinen Sinn mehr in der Fortsetzung ihrer frustrierenden Bildungserfahrung. Die Zahl der NEETs – das sind Jugendliche, die weder erwerbstätig noch in Ausbildung oder in Trainings sind – wächst besorgniserregend.
Gerade zu Beginn des Erwerbslebens ist die Gefahr, den Anschluss an die Gesellschaft zu verlieren, am größten ist. Schwarzarbeit, Kriminalität und Radikalisierung können die Folgen sein. Neben den individuellen Schwierigkeiten entstehen aber auch massive Probleme für die Sozialsysteme Europas, die auf einen funktionierenden Arbeitsmarkt angewiesen sind. Die hohen Pensionsversprechungen werden zunehmend schwerer einzulösen, wenn eine „verlorene“ Generation sich nur mühsam und prekär über Wasser halten kann.
Barbara Pickl ist Bezirksrätin im 20. Wiener Gemeindebezirk.